Mein erstes Weihnachten ohne…

Ein Interview mit Nic Schaatsbergen. Von Michael Maas.

„Don’t ever give up!“ – „gib niemals auf!“. So signiert Nic Schaatsbergen den Schluss Ihrer E-Mails. Dass ausgerechnet sie das schreibt, ist verwunderlich. Denn sie hätte allen Grund, in ihrem Leben aufzugeben.

Im Sommer 2020 gab Nic Schaatsbergen im Gottesdienst der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde ein ausführliches Interview über ihren Lebensweg. 2016 verlor sie ihren Mann durch Suizid. Seitdem hat für die gelernte Journalistin, christliche Beraterin und heute Bildhauerin, Weihnachten eine neue Perspektive bekommen, weniger oberflächlich, ehrlicher und pragmatischer.

Ihre überaus ehrlichen Antworten erstaunten nicht nur, sondern waren auch hilfreich und Hoffnung weckend zugleich. Für den Weihnachtsbrief der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde (EFG) in Ihren hier ihre offenen, ungeschönten Antworten über ihr erstes Weihnachten ohne…

Nicole, dein erstes Weihnachtsfest nach dem Suizid deines Mannes doch ein Horror für dich gewesen sein. Wie hast du es erlebt?

Es war nicht das nackte Grauen; immerhin ist es der Geburtstag von Jesus. Aber mir war so gar nicht nach feiern zumute. Ich wollte mich einfach nur verkriechen und in Ruhe traurig und wütend sein. Das ging aber nicht. Wegen meiner Tochter. Sie liebt Weihnachten. Also wurde gefeiert. Irgendwie. 

Hast du nach deinem schweren Verlust überhaupt noch etwas vom Glauben wissen wollen?

Immer. Weil Gott die feste Konstante meines Lebens ist, die all das aushält. Gott hält mich aus mit meiner Mischung aus Trauer und Wut, auch meinen Mann, der nicht mehr leben wollte.

Was hat dich dazu gebracht, den Glauben nicht gänzlich an den Nagel zu hängen? Was hat den Glauben in dir wieder neu geweckt?

Da musste nichts neu geweckt werden, da hat sich eher was gefestigt.

Viele Glaubensprobleme wurden so winzig klein im Gegensatz zu dem, was passiert war. Da blieb nur noch die Essenz des Glaubens übrig: Die persönliche Beziehung zu Gott selbst.

Hattest du keinen Groll auf Gott?

Natürlich! Immer wieder. Und das darf auch sein. Weil er das kennt. Und weil er das tragen kann.

Ist heute etwas in deinem Glauben anders?

Ich bin viel entspannter. Und freier. Vieles, womit sich andere Christen oder die Kirche rumschlagen, ist mir zu starr, zu eng. Ich sehe eher das große Ganze. Und bin darin sicher geborgen.

Feierst du heute Weihnachten bewusster oder anders?

Mit Weihnachten habe ich immer noch meine Schwierigkeiten. Weil wir es früher so intensiv als Jesu Geburtstag gefeiert haben. Das tue ich zwar immer noch. Aber auf meine Art. Etwas leiser vielleicht. Und etwas inniger bei Gott dran.

Gab es Momente, in denen du weder Glaube noch Kraft zum Gebet hattest?

Sehr oft.

Ich habe die meiste Zeit nur geseufzt. Mehr nicht. Aber das reicht aus für einen Gott, dessen Heiliger Geist selbst oft nur ein Hauch ist. Von Odem zu Odem eben.

Du musstest lernen, mit dem Alleinsein zurecht zu kommen. Hat das für dich in der Corona-Zeit einen gewissen Vorteil?

Das ist jetzt eher von Nachteil. Mein Partner, ich und unsere Tochter leben gerade auf einer Baustelle in zwei Räumen. Inklusive Homeoffice. Da wünschte ich mir eher etwas mehr Alleinsein. Aber Gott sei Dank habe ich nicht nur das gelernt, sondern auch Nähe neu auszuhalten.

Hast du wieder neu Lust an der Gemeinschaft mit anderen Christen und Lust an Gottesdiensten wie zu Weihnachten bekommen?

Grundsätzlich ja. Aber es kommt auf die Ausrichtung an. Ich ecke mit meiner Biografie schnell an bei Gemeinschaften, die lieber eine heile Welt predigen oder andere nach ihren Idealen formen möchten. Aber ich genieße sehr das gemeinschaftliche bei Gott sein, die Verbundenheit trotz oder gerade wegen der Vielfalt.

Was rätst du Menschen, die mit Weihnachten ihre Mühe haben, weil es ihnen nicht gut geht und das Fest der Liebe für sie vielleicht sogar abstoßend ist?

Dass das absolut okay ist! Aber auch: Dass es sich lohnt, nach neuen Wegen zu suchen, wie man dieses „Fest der Liebe“ so gestalten kann, dass es einem selbst möglichst gut geht. Wenn Gott uns schon liebt, dann sollten wir es zumindest auch versuchen.

Danke für das Gespräch!

Dieses Interview erschien im Weihnachtsbrief der EFG Westoverledingen 2020.

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