Das Leben geht weiter – aber anders!

Anfang Dezember hatte ich davon erzählt, dass wir unseren Kater ganz überraschend einschläfern lassen mussten. Das war ein ziemlicher Schock! An dem Tag, aber auch an denen drauf habe ich geheult wie selten zuvor. Dabei war Larry doch „nur“ ein Haustier! Oder?

Das zumindest flüstert mir eine Stimme in meinem Kopf zu. Die, die auch immer fragt, was wohl die Leute denken würden, wenn sie dieses oder jenes wüssten. (Kennt noch jemand außer mir diese Stimme? Die, die andauernd alles kommentiert, ganz gleich, ob es um das Unkraut im Garten geht – „Die sollten sich mal um ihren Garten kümmern, tzzz!“ -, das knallbunte Shirt – „So dick, wie die ist, sollte sie nicht so was Buntes tragen!“ – oder eben die Trauerreaktion – „Es ist doch nur ein Tier!“.)

Ich bin selbst überrascht von der Heftigkeit der Trauer, die Larrys Tod losgetreten hat. Auch davon, wie viele Dinge, die man von „normaler“ Trauer, also der Trauer um Menschen, kennt, auch hier griffen.

Bleiben wir aber zunächst bei dieser Was-sollen-nur-die Leute-denken-Frage. Die stellte sich mir, als ich überraschend schnell feststellte, dass ich gerne eine neue Katze hätte – und zwar nicht erst „in angemessen ferner Zukunft“, sondern schon recht bald.

Aber darf man das? Darf man einerseits einen Verlust betrauern und gleichzeitig den Aufbruch zu etwas Neuem planen? Versuche ich womöglich unterbewusst, Larry durch eine andere Katze zu ersetzen?

Mein Herz sagt nein. Mein therapeutisches Wissen sagt: Trauer und Vorfreude können sehr wohl koexistieren. Aber werden andere das verstehen? Werden sie es gutheißen? (Dummerweise ist es mir oft nur theoretisch egal, was die Leute über mich denken; im Herzen möchte ich gemocht werden.)

Wir spulen nach vorn: Mittlerweile waren wir beim Tierheim und haben uns direkt in zwei kleine Kater verguckt. Bald werden sie bei uns einziehen. Alles geht recht schnell, aber es fühlt sich gut an. Richtig. Wir sind uns sicher: Wir wollen es so.

Als wir anderen davon erzählen, kommentiert jemand, wir hätten es gut: Wir könnten einfach einen Kater durch einen neuen ersetzen. Obwohl ich weiß, dass das nicht böse gemeint ist, dass die Person gerade um jemanden trauert, versetzt mir dieser Kommentar einen Stich. Weil man mir etwas unterstellt.

Eigentlich könnte es mir doch vollkommen egal sein, was andere von meiner Entscheidung halten. Und doch merke ich, wie ich sofort anfange, alles gedanklich noch mal durchzukauen, unsere Entscheidung zum x-ten Mal hinterfrage.

Das braucht Kraft. Vor allem braucht es aber auch, dass ich irgendwann wieder aufhöre mit dem Hinterfragen, ich brauche die Rückkehr zum Vertrauen auf das eigene Bauchgefühl.

Bald werden Olaf und Knubbel, die beiden Katzenjungen, bei uns einziehen. Wir freuen uns drauf – und vermissen gleichzeitig noch immer Larry. Sowohl als auch. Gleichzeitigkeit.

Sich das zuzugestehen, das auch auszuhalten, diesen Wechsel von Gefühlen, ist nicht immer leicht. Umso mehr ziehe ich meinen imaginären Hut vor all denen, die gerade um einen geliebten Menschen trauern. Vor Suizidhinterbliebenen. Denen, die dieses Sowohl-als-Auch in so vielen Farben und Formen, so vielen Situationen und auf so unglaublich vielen Ebenen aushalten.

Mein Wunsch für euch: Bleibt da dran! Erlaubt euch diese Gefühlsbandbreite, auch wenn es anstrengend ist. Erlaubt euch die Trauer, aber genauso die Momente der Leichtigkeit, des Lachens und des Glücks!

Nicole Sturm

2 Replies to “Das Leben geht weiter – aber anders!”

  1. Vielen Dank für Ihre Geschichte und die aufmunternden Worte!
    Ich durchlebe gerade ähnliches. Den Verlust eines geliebten Menschen. Und ich kenne diese Gefühle, dieses Hinterfragen, diese Zweifel, was andere darüber denken könnten. Das schlechte Gewissen nach einem unbeschwerten Abend mit lieben Freunden, voller Leichtigkeit, obwohl ich doch eigentlich trauere oder trauern müsste…
    Vielen Dank für Ihre Gedanken und alles Gute für Sie!

  2. Ein guter Beitrag!
    In der ganzen Trauer ist es doch die Hoffnung, die uns immer wieder weiter machen lässt.
    Natürlich kann man einen lieben Menschen betrauern und trotzdem nach vorne schauen. Auch mit einem neuen lieben Menschen!
    Oder mit einem neuen Haustier!

    Es ist kein Ersatz, es ist ein Neuanfang!

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