#Welcomefear
Wie man Krisen überl(i)ebt, Teil 1
Hat sie wirklich so eine fiese Fratze, die Angst? Oder sieht sie eher aus wie dieser ausgehöhlte Baumstamm: Nur auf den ersten Blick dunkel, auf den zweiten zerrissen, traurig, ein Mahnmahl?
Das wissen wir erst, wenn wir hinsehen. Wenn wir keinen großen Bogen mehr um die Angst machen und uns ihr stellen.
Als Markus vor mittlerweile fast vier Jahren Suizid beging und in den Wochen und Monaten danach die Mahnungen ins Haus flatterten, hatte ich auch Angst. Diese Umschläge zu öffnen. Denn es könnte ja die alles entscheidende Mitteilung sein: dass die Witwenrente nicht reicht; dass die Restschuldversicherungen nicht zahlen; dass ich das Haus doch verliere. Und. Und. Und.
In der Corona-Krise war und ist es jetzt ähnlich. Eigentlich in jeder Krise. Wir haben Kopfkino. Kaum etwas ist wie zuvor. Alles ist in Bewegung. Und niemand kann uns sagen, wie es ausgehen wird. Sicherheiten gibt es wenige. Das schürt Ängste. Und, so blöd das klingt: Das ist okay.
Denn wie ich in meinem Beitrag „Willkommen, nackte Angst“ geschrieben habe: Im Grunde ist die Angst nicht das große, fiese Monster. Im Grunde ist sie ein Alarm. Der uns aufmerksam macht für eine Gefahr. Damit wir unser Verhalten ändern. Und genau das ist jetzt wichtig.
In diesem Sinne können wir die Angst willkommen heißen. Und sagen: Ich mag dich zwar nicht, aber danke, dass du mir hilfst, die Realität anzuerkennen.
Denn wenn wir sie akzeptieren und annehmen und sie aussprechen, können wir mit ihr umgehen. Dann wird sie nicht übergroß und wächst auch nicht zur Panik heran. Denn Panik ist wirklich das große, fiese Monster.
Ich habe das auch getan. Ich habe tief durchgeatmet und sie geöffnet, die Briefe. Und sortiert. Einige Ängste wurden wahr. Einige haben sich in Luft aufgelöst. Aber indem ich sie angesehen habe, konnte ich mit ihnen umgehen. Und nach Lösungen suchen.
Der erste Schritt ist also: Nicht mehr wegsehen. Nicht mehr weglaufen. Sondern hinsehen:
- Wie sehen deine Ängste aus?
- Kannst du sie aussprechen? Oder aufschreiben? Dadurch kommen Sie aus dem Kopf und es wird etwas klarer, was Kopfkino ist und was nicht.
- Wovor wollen deine Ängste dich warnen?
- Und wie könntest du aus der Warnung etwas machen? Wie könntest du aktiv werden? Dein Verhalten oder deine Gedanken oder deine Position dazu verändern?
Denn auch wenn wir uns hilflos fühlen: Wir sind es nicht. Wir entscheiden, wie wir damit umgehen, mit diesem abgerissenen Lebensbaum.