Sag mal, …
… wie trauert man eigentlich richtig?
Beim Trauern gibt es kein Richtig und kein Falsch. Jeder Mensch ist einzigartig. Die Beziehung, die man zur verstorbenen Person hat, ist ebenfalls einzigartig. Aus diesem Grund ist es logisch, dass auch Trauer einzigartig ist.
Den einen zieht es in seiner Trauer zum Grab, der andere braucht das Erzählen, um den Tod eines geliebten Menschen zu verarbeiten. Wieder jemand anders verbringt viel Zeit allein, während der nächste sich womöglich beim Sport auspowert oder stundenlange Spaziergänge unternimmt. Die Art, wie jemand trauert, ist so einzigartig wie die Person selbst. Und das ist gut so.
Sag mal, …
… wie lange dauert eigentlich Trauer?
Das ist nicht so einfach zu sagen. Ganz sicher ist aber: Mit Trauer ist man nicht nach ein paar Tagen „durch“. (Und auch nicht nach ein paar Wochen.)
Wie lange jemand trauert, hängt von mehreren Faktoren ab: Handelt es sich bei dem Verstorbenen um einen Nachbarn, den man nur vom Plausch am Gartenzaun kennt, oder um jemanden, der einem richtig nahesteht: den Ehepartner, das eigene Kind, die allerbeste Freundin? Auch nicht unbedeutend: Wie waren die Todesumstände? Suizid beispielsweise erschwert im Normalfall die Trauer.
Früher war oft von dem sogenannten „Trauerjahr“ die Rede: Hinterbliebene sollten sich ein Jahr Zeit nehmen, um ihren Verlust angemessen zu betrauern. Heute hingegen wird oft erwartet, dass Hinterbliebene schon nach kurzer Zeit wieder „ganz die Alten“ sind. Fragt man jedoch Trauerbegleiter, so berichten die meist von weitaus längeren Zeitfenstern: Beim Tod einer engen Bezugsperson kann Trauer gerne mal 3-5 Jahre dauern – auch das ist vollkommen normal.
Aber ebenfalls klar ist: Trauer sieht nach so langer Zeit anders aus als ganz zu Beginn oder im ersten Jahr nach dem Tod, wenn man alles zum ersten Mal ohne den geliebten Menschen an seiner Seite erlebt – den ersten Geburtstag, den ersten Hochzeitstag, das erste Weihnachtsfest, den ersten Urlaub, den ersten Todestag. Trauer ist ein Prozess. Und der dauert – und zwar so lang, wie er nun mal dauert.
Sag mal, …
… gewöhnt man sich irgendwann an die Trauer?
Gewöhnen ist nicht das richtige Wort. Trauer ist ein Prozess. Im Laufe der Zeit verändert sie sich.
Die Trauerwellen, die einen überrollen, verändern sich: Irgendwann sind sie nicht mehr ganz so stark und hoch. Die Abstände zwischen den Trauerwellen, die über einen hinwegschwappen, werden größer. Im Idealfall hat man sich auch besseres Equipment in Form von bewährten Bewältigungsstrategien zurechtgelegt, um auf den Wellen zu surfen.
Trauer verändert sich – und man lernt, mit ihr zu leben. Gut zu leben. Die Trauer ist noch da, aber sie bestimmt nicht mehr das Leben: wie man denkt, fühlt und handelt. Das Leben geht weiter. Das Leben ist schön.
Sag mal, …
… heilt die Zeit wirklich alle Wunden?
Nein, einen Automatismus im Sinne von „abwarten und Tee trinken“ und nach Ablauf einer gewissen Frist ist alles wieder wie früher, den gibt es nicht. Aber im Laufe der Zeit verändern sich Dinge, die Trauer bestimmt nicht mehr alles Denken, Fühlen und Handeln.
Es ist wie bei einer Wunde am Körper: Manche heilen schneller, manche langsamer. Die einen sieht man nach einer Zeit (fast) nicht mehr, andere hinterlassen sichtbare Narben. Aber ganz egal, ob sie sichtbar bleibt oder nicht: Es ist gut möglich, dass die Stelle „wetterempfindlich“ bleibt, also in bestimmten Situationen schmerzt.
Übertragen auf Trauer bedeutet das: Es ist ganz normal, wenn die Trauerwunde auch nach langer Zeit noch mal wehtut. Und empfindlicher ist als andere Stellen. Daher bitte: realistisch-positiv an die Wundheilung rangehen.
Von Nicole Sturm